Drucken

Abblidung aus: Daniel Gottfried Schrebers - historische, physische und ökonomische Beschreibung des Waidtes, dessen Baues, Bereitung und Gebrauchs zum Färben, auch Handels mit selbigen überhaupt, besonders aber in Thüringen

Hochstedt war eines der etwa 300 Dörfer im Thüringer Becken, wo nachweislich Waid angebaut wurde. Durch das eher milde Klima, begünstigt durch die geschützte Lage des Thüringer Beckens im Schatten der Mittelgebirge und der tiefgründigen Löss- und Kalksteinböden, die eine hohe Speicherfähigkeit von Nährstoffen und für Wasser ermöglichen, war die Gegend um Erfurt eines der Hauptanbaugebiete von Waid, welches qualitativ hochwertigen Farbstoff produzierte.

Um das Jahr 1500 sind im Erfurter Waidbüchlein (StadtA Erfurt) elf Bauern verzeichnet, die in Hochstedt insgesamt 48 1/4 Acker mit Waid bestellten. Bei der Ausbringung auf die Felder unterscheidet man die "normale" Aussaat im Frühjahr vom sogenannten Winterwaid, der um die Weihnachtszeit auf die Schneedecke gesät wurde. Der Anbau von Winterwaid konnte in witterungsbedingt günstigen Jahren bis zu vier Stiche (Ernten) einbringen, da der Samen gleich nach der Schneeschmelze keimte und früher für die erste Ernte bereit war. Voraussetzung für die Aussaat war jedoch eine tiefgründige Aufbereitung des Bodens denn Waid treibt eine lange Pfahlwurzel in den lockeren Untergrund.

Der Erfurter Laurentius Niska gab im Jahr 1631 die Denkschrift "Weyd Bedenken" heraus, in welcher Holzstiche den Anbau von Waid und dessen Verarbeitung zu Waidballen bildlich dargestellt waren.

Bei der Bestellung der Felder mit Winterwaid konnte sogar ein Arbeitsschritt, nämlich das Untereggen des Samens, eingespart werden. In diesem Fall sorgte das Schmelzwasser des Schnees dafür dass der Samen auf den Boden bzw. in Erdspalten gelangte, wo er keimen konnte.

Schon nach wenigen Tagen mit wärmerer Witterung zeigen sich beim Waid die Sprossen mit ihrer typischen Purpurfärbung, die sich in den Boden bohren. Kurz darauf sind die Keimblätter zu sehen, die sich ins Licht

recken. Meist wurde der Boden mit Schafmist gedüngt, der untergepflügt worden war.

 

 

 

 Da im Schafmist viele Samen von Acker(un)kräutern enthalten sind, die natürlich im Boden zur Keimung kommen, musste das Feld von Unkräutern stets freigehalten werden. Es galt darauf zu achten, dass möglichst nur der Waid wuchs und nicht durch andere Blattpflanzen durchsetzt und damit "verunreinigt" wurde. Zumeist dürften die Frauen und Kinder zur Arbeit der Unkrautbekämpfung herangezogen worden sein.

Zur Herstellung der Waidballen wurden Ende Mai, Anfang Juni die Blattrosetten des Waids in seinem ersten Standjahr geerntet. Man benutzte dafür ein Waideisen, mit dem man den Blattschopf von der Wurzel abstieß. Darum sprach man bei der Waidernte auch vom "Stich". Oft zeigt sich schon in den ersten Stunden nach dem Stich am an der Wurzel verbliebenen Blattschopfrest, also an der Stich- oder Schnittkante, eine starke Blauverfärbung, die durch die Reaktion des farblosen Indigos mit dem Sauerstoff erfolgt.

Nach einem Stich trieb die Wurzel erneut aus, wobei etwa sechs Wochen später der nächste Stich erfolgen konnte.

 


Nach der Ernte wurden die frisch gestochenen Blattschöpfe zunächst neben den Feldern zu Haufen zusammengetragen, um sie dann auf Karren abtransportieren zu können. Die Fahrt ging an ein in der Nähe fließenden Bach, wo der Waid gewaschen werden musste.

Unterdessen, so beschreibt Niska, wurde das Feld noch einmal bearbeitet, wobei man mit einer Egge den Boden nochmals lockerte. Anschließend wurden die Wurzeln geschürt, also mit einer Art Harke überzogen, um sie damit zum Neuaustrieb anzuregen. Daran schloss sich erneut ein Arbeitsgang mit der Egge an.

 

 

Die zum Gewässer transportierten Waidblätter wurden nun abgeladen und mit Harken mehrfach unter die Wasseroberfläche gedrückt und so lange bewegt, bis sie sauber waren. Im Anschluss brachte man die so gesäuberten Blätter auf den Waidrasen, um sie dort abtrocknen zu lassen und etwas anzuwelken. Sie wurden dazu wiederum mit Harken mehrfach umgewendet und anschließend zur Waidmühle gebracht.

 

 

 

In Hochstedt waren einst nachweislich zwei Waidmühlen in Betrieb von denen nur noch zwei Langsteine als historische Zeugnisse übrig sind, die den Querbalken der Mühle getragen hatten und heute als Pfeiler in einer Toreinfahrt dienen. Der Waidmühlstein im Ortszentrum ist ein neuer Stein aus dem Jahr 2009.

Eine Waidmühle besteht hauptsächlich aus einem aufrecht um eine zentrale Achse laufenden Mühlstein aus Sandstein, der in unserer Gegend hauptsächlich aus Seebergen gestammt haben dürfte, da dort härteres Sandsteinmineral abgebaut wurde.

Der um die zwei Meter hohe Stein steckte auf einer hölzernen waagerechten Achse, die an einem senkrecht stehenden Balken in der Mitte der Mühlenkonstruktion befestigt war. Dieser senkrechte Balken war oben im Querbalken und unten im Zentrum der Tenne verankert. Der Antrieb erfolgte durch Pferde, Esel oder Ochsen, die den Stein im Kreis über die Tenne - die Mahlbahn oder auch Kollergang - bewegten.


Der gewaschene und angewelkte Waid wurde nun auf die Tenne der Mühle gelegt und der von Tieren gezogene schwere gezackte Stein zerquetschte ihn beim Überrollen zu Waidmus.

 

 

 

Dieses Mus wurde dann, so berichtet Schreber, zunächst 24 Stunden auf einem Haufen liegend in Ruhe gelassen, bevor daraus dann faustgroße Bälle geformt werden.

Die Waidbällchen wurden dann auf Weidenhorden gelegt, um sie von Wind und Sonne trocknen zu lassen. Dabei verlieren die Bälle bis zu zwei Drittel ihrer Größe.

Der getrocknete Ballenwaid wurde dann auf Fuhrwerke verladen und zum Waidmarkt gebracht, wo ihn die Waidjunker begutachteten und den Bauern ein Angebot dafür unterbreiteten.

Nach den Stichen im ersten Jahr ließ man nur einen Teil der Pflanzen ihren Zweijahres-Zyklus vollenden, um von diesem Waid Samen zu erhalten. Der Rest wurde untergepflügt, wobei die trockenen, bis zu anderthalb Meter hohen Pflanzenstängel als Heizmaterial Verwendung fanden.